Darf ich oder darf ich nicht? Als ich selbst zum ersten Mal überhaupt unter Wasser „schnuppern“ war, hab‘ ich mir ehrlich gesagt überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob ich das darf oder kann. Ich war 25 und kerngesund. Ich durfte und ich konnte. Heute ist das anders. Ich bin keine 25 mehr… und chronisch krank. Meine erste Frage direkt nach der Diagnose Multiple Sklerose an den Arzt war: „Ich will tauchen, darf ich das?“
Tauchmedizin: Darf ich trotz MS tauchen?
Die Antwort, ich solle mich nicht einschränken, war für mich die beste Motivation überhaupt. Multiple Sklerose per sé ist also kein Grund, nicht tauchen zu lernen. Im Gegenteil – mir geht’s unter Wasser sogar besser als an Land. Solange ich kann, werde ich tauchen! Und solange ich selbst genug Kraft dazu habe, will ich anderen Menschen mit Behinderung dabei helfen, tauchen zu lernen und schwerelos unter Wasser zu schweben. Vorausgesetzt, sie dürfen tauchen!
Tauchermedizin: Wer darf tauchen, wer nicht?
Ich habe mich mit Dr. med. Alexandra Kronenberg unterhalten. Sie ist Fachärztin für allgemeine Innere Medizin mit Schwerpunkt Sportmedizin und Tauchmedizin in Thun in der Schweiz. Neben regulären Untersuchungen der Tauchtauglichkeit beurteilt sie die Tauchtauglichkeit nach Verletzungen und Erkrankungen. Außerdem ist sie selbst Tauchlehrerin, die auch Menschen mit Handicap ausbildet.
Absolutes No-Go
Mein Motto ist ja eigentlich: Also geht nicht gibt’s nicht. Beim Tauchen gibt es aber doch Grenzen, im medizinischen Fachjargon auch „Kontraindikatoren“ genannt. Sportmedizinerin Alexandra kennt die Grenzen. Für wen Tauchen nicht in Frage kommt:
- Schwangere
- Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen und instabilem Gesundheitszustand
- psychisch labile Patienten
- Leute mit schweren Lungen- und Herzerkrankungen oder Verletzungen der Lunge
- Menschen mit akuten fiebrigen Infektionen
- Leute, die Medikamente einnehmen, die das Zentralnervensystem dämpfen, z.B. Psychopharmaka oder Schmerzmittel
- Drogenabhängige und andere Suchtkranke
- Epileptiker
- Menschen, die erst vor kurzem operiert wurden
- Leute mit Trommelfellverletzungen
- Kinder unter 8 Jahren
Das sind nur die wichtigsten Gründe, nicht tauchen zu dürfen. Warum eigentlich nicht?
Alexandra: Pauschal gesagt: Wer sich in der Liste wiederfindet, würde beim Tauchen sich und seinen Buddy gefährden. Ein medizinisches Problem unter Wasser kann schnell mal tödlich enden. Taucher unter Medikamenteneinfluss könnten bewusstlos werden unter Wasser oder in einen Tiefenrausch geraten. Schwangere gefährden das Ungeborene. Bei Kindern unter acht Jahren ist die Lunge noch zu wenig entwickelt und könnte Schaden nehmen durchs Tauchen.
Was müssen Taucher mit Behinderung vor dem Tauchen beachten?
Das hängt von ihrem Handicap ab. Wie jeder Taucher brauchen sie ein gültiges tauchärztliches Attest und müssen sich fit fühlen fürs Tauchen. Zudem sollten sie eine gute Auffassungsgabe haben und verstehen, was sie machen und auch verstehen können, was ihnen erklärt wird. Außerdem sollten sie mit dem Element Wasser vertraut sein und keine Angst davor haben.
Tauchmedizin: Wie beeinflussen Medikamente beim Tauchen den Körper?
Es gibt eine so große Vielzahl von Medikamenten, die unterschiedliche Auswirkungen haben können beim Tauchen. Die kann ich unmöglich hier alle aufzählen. Am besten immer zuerst den behandelnden Arzt fragen. Das Problem ist, dass Medikamente, egal ob Blutdrucksenker, Schmerzmittel, Blutverdünner, Beruhigungsmittel, Antidiabetika oder andere, nie unter erhöhten Umgebungsdrücken getestet wurden.
Daher weiß man nicht, inwiefern sich deren Wirkung beim Tauchen verstärken oder abschwächen kann. Möglicherweise kann sich das Risiko für einer Dekompressionserkrankung erhöhen. Es könnte unter dem Einfluss bestimmter Medikamente auch auf geringen Tiefen zu einem Tiefenrausch kommen.
Unter welcher Medikation darf man nicht tauchen?
Auch hier gilt: Jeder sollte das mit seinem behandelnden Arzt klären. Tauchen darf man sicher nicht, wenn man Antiepileptika, Betäubungsmittel, starke Schmerzmittel und Schlafmittel einnimmt. Bei Herzmedikamenten, Antidiabetika und gewissen Medikamenten gegen Seekrankheit ist äußerste Vorsicht geboten.
Es gibt sogar Tauchmediziner, die gänzlich vom Tauchen abraten, egal welches Medikament eingenommen wird. Zumindest sollte die Behandlung schon länger bestehen; also nicht ein neues Medikament einnehmen und dann gleich tauchen gehen.
"Finger weg von Medikamenten, auf deren Packungsbeilage steht: kann die Fahrtüchtigkeit oder das Bedienen von Maschinen beeinträchtigen."
Dr. med. Alexandra Kronenberg, Tauchmedizinerin
Wie verhält es sich mit Spastiken: Tauchen ja oder nein?
Das ist sehr individuell. Die meisten Menschen mit Spastiken empfinden Wasser als sehr angenehm; aber meist muss es sich hierbei um warmes Wasser handeln. Kaltes Wasser kann Spastiken fördern, davon ist abzuraten.
Welche Voraussetzungen gibt es fürs Tauchen mit geistiger Behinderung?
Die Person muss mündig sein und eine gute Auffassungsgabe haben. Sie muss verstehen, dass Tauchen, wenn man sich nicht an gewisse Regeln hält, gefährlich sein kann. Sie darf daher nicht zu große kognitive Einschränkungen haben. Allein schon die Open Water Theorie ist nicht ganz ohne.
Das sollte jeder Taucher, egal ob mit oder ohne Handicap, wissen: Der erste Gang vor dem Tauchen sollte also wohin führen? Zum behandelnden Arzt! Oder gleich zu einem Tauchmediziner. Wenn der grünes Licht gibt, kannst du abtauchen!
Im nächsten Blog stelle ich euch mein absolutes Vorbild vor. Eine großartige Frau, mehr wird hier noch nicht verraten. Ihr dürft also gespannt sein.
Eure Nicole
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