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Tauchen mit Stoma

Tauchen mit künstlichem Darmausgang

Ich hätte ja vermutet, dass Tauchen mit einem Stoma, einem künstlichen Darmausgang, unweigerlich bedeutet: Trockenanzug, damit da bloß kein Wasser an den künstlichen Darmausgang kommt. Ist gar nicht so, wie mir Ciára McManigan auf meine Anfrage antwortet: „Nassanzug? Ja, das ist völlig in Ordnung! Die Taschen sind wasserdicht.“ Die 23jährige Britin hat eine erstaunliche Reise hinter sich – wie auch noch vor sich. Ich bin auf Instagram auf Ciára aufmerksam geworden und darf ihre Geschichte hier teilen:

Ciára McManigan: "Roma, the stoma, is my best friend"

Im Sommer 2023 hat sich Ciára im Alter von 22 Jahren einer lebensrettenden Notoperation unterzogen. Ihr gesamter Dickdarm wurde entfernt. Ohne diese Operation hätte sie das Wochenende nicht überlebt. Jetzt lebt sie mit einem Ileostoma, also einem künstlichen Darmausgang, und hat sich damit mehr als arrangiert: „Ich habe einen permanenten Beutel an meinem Magen, aber so seltsam meine zweite Chance im Leben bisher auch war, Roma, das Stoma, ist meine beste Freundin und ich bin für immer dankbar, dass sie mir das Leben gerettet hat.“

Diagnose Colitis ulcerosa - die Angst for einem Körper mit sichtbarer Behinderung

Eineinhalb Jahre vor ihrer lebensrettenden Operation erhielt sie die Diagnose Colitis ulcerosa, eine chronische Entzündung des Dickdarms. Bei Ciára war die Krankheit von Anfang an aggressiv. Es gab keine Medikamente, die bei ihr wirkten. 18 Monate lang war sie ständig wochenlang im Krankenhaus, verpasste dadurch einen Großteil ihrer Arbeit an der Universität und, wie sie sagt „ein Mädchen in ihren frühen Zwanzigern zu sein“. Aus Angst vor dem Körperbild einer jungen Frau mit einem Stoma konnte sie sich nicht zu einer geplanten Operation durchringen. Heute weiß sie: „Diese Angst ist leider der Grund, warum ich aufgrund der Krankheit fast mein Leben verloren hätte, da mein Darm kurz vor der Perforation stand.“

"Ich werde die erste sichtbar behinderte Kandidatin bei Miss Swimsuit UK sein!"

Vor diesem Hintergrund beschloss Ciára, sich bei der Wahl zur Miss Swimsuit UK 2024 anzumelden - und wurde angenommen! Stolz erzählt sie: „Ich werde die erste sichtbar behinderte Kandidatin bei Miss Swimsuit UK sein. Das bedeutet auch, dass ich ihr erstes Model mit einem Stoma sein werde!“ 

 

"Ich habe mich entschieden, dies zu tun, um Ängste zu zerschlagen, die Menschen wie ich haben könnten. Ich möchte zeigen, dass das Leben nach der Operation lohnend ist und die Botschaft verbreiten, dass alle Körper immer noch schön sind, unabhängig davon, was unser Körper durchgemacht hat. Mein Ziel ist es, Positivität und das Bewusstsein für Behinderung/Stoma während meiner gesamten Miss Swimsuit-UK-Reise zu teilen."

Leidenschaft Tauchen - der frühe Ruf der Ozeane

Schon im Alter von 14 Jahre entdeckte Ciára ihre Leidenschaft für das Tauchen, qualifizierte sich in ihrer Heimat Großbritannien zum Open Water Diver und verbrachte ihre nächsten vier Sommerferien in San Diego, Kalifornien, wo sie viel über Meeresbiologie lernte. Sehr schnell war ihr klar, was ich an der Universität machen wollte. Fast ein Jahrzehnt nach ihrer ersten Taucherfahrung ist Ciára jetzt Divemaster und hat ihr Studium der Umweltwissenschaften mit Schwerpunkt Ozeanographie abgeschlossen. „Obwohl ich alles erreicht habe, wovon mein 14-jähriges Ich geträumt hat, wurde mir während meiner Zeit an der Universität fast alles genommen“, beginnt Ciára ihre Geschichte:

Rückblickend weiß ich nicht, woher ich die körperliche Kraft hatte, meine AOWD Zertifizierung abzuschließen.

Gerade mit dem Studium angefangen, kam der Covid-Lockdown, danach wollte ich Versäumtes nachholen, trat dem Sub Aqua Club der Universität bei und machte meinen Advanced Open Water Diving Kurs. Zu der Zeit spürte ich zum ersten Mal Symptome einer Colitis ulcerosa. Ich schob meine gesundheitlichen Beschwerden auf Stress, da auch Prüfungszeit an der Uni war. Rückblickend weiß ich nicht, woher ich die körperliche Kraft hatte, meine Zertifizierung abzuschließen. Seit ich denken kann, leide ich unter psychischen Problemen. Dies geht oft Hand in Hand mit einer Reizdarmerkrankung und verursacht Autoimmunerkrankungen, in meinem Fall Colitis ulcerosa. Wie die meisten Taucher sagen, ist Tauchen für uns Therapie. Jeder, der die Stille unter Wasser erlebt hat, kann die Ruhe mit Meditation vergleichen. Doch Anfang 2022 trat ich in die bisher härteste Zeit meines Lebens. Ich war gezwungen, mich meinen Kämpfen direkt zu stellen, ohne wie üblich unter Wasser zu sein. Ich musste ständig ins Krankenhaus, immer für etwa 2 Wochen, um eine neue Medikation zu bekommen, war dann 6 Wochen zuhause, dann das gleiche von vorn.

Jeder, der die Stille unter Wasser erlebt hat, kann die Ruhe mit Meditation vergleichen.

Im Sommer 2023 verbesserte sich mein Gesundheitszustand und ich nutzte diese Gelegenheit, um nach Malta zu reisen. Ich nahm ein Medikament ein, das bei Patienten eingesetzt wird, die kürzlich eine Organtransplantation hatten, um zu verhindern, dass ihr Immunsystem das neue Organ abstößt. Denn das ist im Wesentlichen das, was mein Immunsystem mit meinem Dickdarm gemacht hat. Trotzdem erhielt ich die Genehmigung zum Tauchen und schaffte es, meine Rescue Diver-Zertifizierung auf Malta abzuschließen. Ich war so stolz auf mich, dass ich nicht nur endlich gesund genug war, um wieder unter Wasser zu sein, sondern auch, dass ich den Rettungskurs geschafft hatte. In der gleichen Woche machte ich auch noch die Spezialkurse Deep Diver und Wreck Diver. Ich hatte einen Lauf.

Zurück in Großbritannien startete ich meine Divemaster-Zertifizierung. Ich träumte davon, ins Ausland zu gehen, um als Divemaster zu arbeiten, sobald ich meinen Abschluss gemacht hatte. Es waren lange Tage und späte Nächte, bestehend aus Arbeit am Pool für meine Divemaster-Qualifikation, Schwimmtests und mein Uni-Abschluss. Außerdem versuchte ich, das soziale Leben einer normalen 22-jährigen Studentin zu führen. Doch meine Müdigkeit und meine Symptome kehrten zurück. Ich tat es als pure Erschöpfung ab. Colitis ulcerosa kontrollierte mein ganzes Leben und ich war zu stur, um zuzulassen, dass sie siegte, bis es fast zu spät war. 

"Sie wird innerhalb von 48 Stunden sterben."

Ich musste wieder ins Krankenhaus, mein Gesundheitszustand wurde schlechter und schlechter, ich wollte nicht einmal mehr Freunde sehen. Meine Eltern besuchten mich jeden Tag und übernachteten in Hotels, um in der Nähe zu sein, wenn ich sie brauchte. Meine Medikamentendosen wurden erhöht, aber anstatt eine Verbesserung zu sehen, hatte ich eine Nebenwirkung: Mein Körper ging in den Ileus. Fortan wurde ich ausschließlich von intravenösen Flüssigkeiten und Glukose ernährt, um zu überleben. Als die Notfallchirurgen an einem Freitag an mein Krankenhausbett kamen und mir sagten, dass ich noch an diesem Wochenende notoperiert werden müsse, mich den Stomapflegern vorstellten, die mich auf mein neues Leben mit einem Stoma vorbereiten würden, stellte mein Vater die Frage: „Was passiert, wenn sie nicht operiert wird? Können wir ihr eine Woche Zeit geben, um diesen Gedanken zu verarbeiten?“ Der Chirurg antwortete: „Sie wird innerhalb von 48 Stunden sterben.“ Meine einzigen zwei Fragen waren einfach: Kann ich immer noch tauchen und kann ich trotzdem meinen Abschluss machen? 

 

Die Operation, die eigentlich nur 3 Stunden dauern sollte, dauerte am Ende 10 Stunden mit drei Chirurgenteams, da mein Darm „die Konsistenz von nassem Seidenpapier hatte“, und wenn er bei der Entfernung gebrochen wäre, hätte das tödlich ausgehen können. Trotz alledem verlief die Genesung überraschenderweise sehr unkompliziert. Innerhalb von vier Wochen war ich zuhause, nahm an meiner Abschlussfeier teil und lebte wieder bei meinen Freunden an der Universität. Das bedeutete auch, dass ich wieder tauchen konnte.

Tauchen trotz Stoma: eine triumphale Rückkehr ins Wasser

Nach der Operation musste ich sechs Wochen lang auf schweres Heben verzichten, von Gewichten im Fitnessstudio bis hin zu Tauchflaschen. Aber ich konnte in den Pool steigen und mit dem Unterrichten beginnen, sobald ich mich wohl fühlte. Nach der 6-wöchigen Erholungsphase kehrte ich ins Fitnessstudio zurück, um meine Kraft zu steigern, mit dem Hauptziel, meine Ausrüstung wieder auf den Rücken zu heben und wieder sicher Riesenschritte ins Wasser zu machen. Zuerst musste ich es langsam angehen lassen: Tauchausrüstung im Wasser anlegen und nicht an Land, vermeiden, die eigene Ausrüstung zu heben. Aber das Schöne am Tauchen ist, dass die Ausrüstung, sobald sie im Wasser ist, fast vollständig schwerelos wird und ich somit nach meiner Operation meine Divemaster-Zertifizierung abschließen konnte. Das Unglaubliche an Stomabeuteln ist ja auch, dass sie absolut wasserdicht sind, was bedeutet, dass sie gut in einem Neoprenanzug überleben, ohne dass man Angst haben muss, dass der Beutel sich löst.

"Ich hatte auch Bedenken, wie sich mein Stomabeutel in der Tiefe verhalten könnte."

Als Taucher lernt man ja früh über die Auswirkungen des Drucks auf Lufträume und somit hatte ich angenommen, dass mein Stoma durch den Druck eine Art Quetschung erfahren könnte. Aber nach einer kurzen Google-Suche, habe ich erfahren, dass das einfach überhaupt kein Problem ist.

Nach vielen Tauchgängen im Pool mit meinem Stoma war ich offiziell zuversichtlich, dass meine neue Behinderung dort kein Thema sein würde, aber ich hatte zwei wichtige Dinge seit der Operation nie getan: zum einen Tauchen im offenen Wasser und zum anderen Tauchen im Neoprenanzug. Im Oktober machte ich mich auf den Weg nach Stoney Cove, um meinen Divemaster-Kurs zu beenden. Das war das erste Mal, dass ich all diese Dinge tat. Um alle Befürchtungen zu zerstreuen, dass mein Stomabeutel undicht sein könnte, wechselte ich ihn und zog am Vorabend einen frischen Beutel an. Und vor dem Tauchen sah ich zu, dass trotz meiner vielen Kleidungsschichten, die ich unter meinem Trockenanzug tragen konnte, sich mein Beutel zur Not frei ausdehnen konnte.

Allen Tauchern mit Stoma empfehle ich ein reichhaltiges Frühstück, um genügend Energie zum Tauchen zu haben. Aber besser so früh wie möglich, damit du den Stomabeutel leeren kannst, bevor du in Unterzieher und Trockenanzug schlüpfst. Denn wenn man einmal in einem Trockentauchanzug drin ist, macht das Entleeren des Stomas zwar keine wirklichen Probleme, aber es ist einfach unglaublich unpraktisch. Und übrigens: Selbst nach einer ziemlich brutalen Trockentauchanzugflut, die mich mitsamt meiner Tasche durchnässte, erwies sich mein Stoma als absolut kein Problem.

„Dank meines Stomas lebe ich jetzt ein glückliches und gesundes Leben als Divemaster und hoffe, bald ins Ausland zu ziehen, um so zu arbeiten, wie ich es mir immer erträumt habe.“


Thank you, Ciára, for sharing your story with us! All the best for you and your future projects. Fingers crossed for the Miss Swimsuit UK contest!

 

Ciàra auf Instagram @sighvie

Fotos: Ciára McManigan


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